24.07.2019

Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung – mehr als nur „Gute Luft“

Wohngebäude im Neubaubestand oder nach der Sanierung sind fast zu 100 % luftundurchlässig. Bewohner sparen Heizkosten, müssen aber Nebenwirkungen im Blick haben. Ein fehlender Luftwechsel in Gebäuden hat weitreichende Folgen für Mensch und Bausubstanz. Mangelnder Luftaustausch führt automatisch zu Unwohlsein und ist Nährboden für die Entwicklung von  „Feuchte“ und  Schimmelpilzbildung. Ebenso können durchfeuchtete Wände einen erheblichen Schaden an der wertvollen Bausubstanz anrichten. Eine praktische, nachhaltige und geforderte Lösung für die Wohnungswirtschaft: Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung.

Ein Blick auf Regelungen und Gesetze:

Notwendigkeit eines Lüftungskonzeptes

Zentrale Argumente
1) Gesetzliche Rahmenbedingungen (DIN 1946-6)
2) Abführen von Feuchtigkeit (Kochen, Duschen, Pflanzen etc.)
3) Abführen von Kohlendioxid, Gerüchen und Luftschadstoffen
4) Zuführen von Sauerstoff

Kurzerläuterungen
Zu 1)
§ 6 EnEV schreibt für neue Gebäude vor, dass die Gebäudehülle nicht nur dauerhaft luftundurchlässig entsprechend den anerkannten Regeln der Technik abzudichten ist, sondern auch, dass verbrauchte Luft so abzuführen ist, „dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist“. Als Berechnungsgrundlage wird hier die DIN 1946 - T6 herangezogen.

Zu 2)
Feuchtigkeit wird nicht in ausreichendem Maße über die Außenwände diffundiert (< 3 % bei Gebäuden aus Mauerwerk), das heisst: „diffusionsoffene“ Außenwandkonstruktionen gewährleisten den Abtransport von Feuchtigkeit in nur unzureichendem Umfang. Zu hohe Raumluftfeuchte wirkt sich negativ auf thermische Behaglichkeit und Gesundheit negativ. Darüber hinaus wird das Schimmelpilz- und Milbenwachstum begünstigt – und damit das Allergierisiko bei den Bewohnern erhöht.

Zu 3)
Kohlendioxid zählt nicht, wie etwa zu hohe Feuchtigkeit, zu den eigentlich schädigenden Indikatoren. Ist der Kohlendioxidgehalt in Räumen jedoch dauerhaft zu hoch, verschlechtert sich sukzessive die Aktivität und das Wohlbefinden der Bewohner. Eine zentrale Komponente der Raumluftqualität sind die Emissionen aus Baumaterialien und Interieur (Gerüche und Luftschadstoffe), die ebenfalls die Gesundheit langfristig negativ beeinflussen können. Zu weiteren, möglichen Schadstoffbelastungen in Gebäuden zählen Tabakrauch, Abgase (Gasherde), Ozon und Staub.

Zu 4)
Frische und vor allem reine Luft ist unser wichtigstes Lebensmittel. Wir verbringen bis zu 80 % unseres Tages in geschlossenen Räumen. Daher ist die Qualität der Raumluft von großer, gesundheitlicher Bedeutung. Die Zufuhr von ausreichend Sauerstoff ist somit lebensnotwendig.

HAFTUNGSRISIKO

Rechtliche und technische Grundlagen

Die Energiesparverordnung (kurz: EnEV ) und die DIN 4108-2 (Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden, Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz) schreiben Folgendes vor (1):
„Die Gebäudehülle muss dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet sein.“
Demgegenüber muss jedoch ein ausreichender Luftwechsel sichergestellt werden, um zu hohe Luftfeuchte und zu hohe Schadstoffkonzentrationen zu vermeiden.
1 Quelle: VfW- Bundesverband für Wohnungslüftung e. V.

Lässt sich der erforderliche Luftwechsel nur durch Lüftungsmaßnahmen erreichen, die von der Beschaffenheitsvereinbarung abweichen, liegt ein Werkmangel vor, für den der Planer bzw. Unternehmer zur Rechenschaft gezogen wird. Wurde keine Vereinbarung darüber getroffen, dass der nach den technischen Regelwerken zu gewährleistende Luftwechsel ohne Lüftungskonzept nach DIN 1946 -6 und daraus gegebenenfalls resultierenden lüftungstechnischen Maßnahmen und nur durch zusätzliches Fensteröffnen des Nutzers erreicht werden kann, ergibt sich ein beträchtliches Haftungsrisiko.

Nach Einschätzung der Rechtsexperten werden ventilatorgestützte Lüftungssysteme zu einem nicht näher zu fixierenden Zeitpunkt im Wohnungsbau zu den anerkannten Regeln der Technik gehören. Somit muss die Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung jetzt schon eingeplant werden. Bauausführende sollten diesen Zeitpunkt keinesfalls verpassen!

SCHIMMELPILZBILDUNG  –  NICHT-Lüften ist nicht die einzige Ursache

Begünstigende Faktoren für Schimmelpilzbildung

- Feuchtequellen: Baufeuchte in Neubauten sowie aufsteigende Nässe oder Leitungswasserschäden
- Wärmeschutz, vor allem im Bereich potenzieller Wärmebrücken:
  An der Umfassungskonstruktion werden Anforderungen an Luftfeuchte, Temperatur, Vorhandensein von Sauerstoff, pH-Wert und ein ausreichendes Nährstoffangebot erfüllt.
- Nutzergewohnheiten (Lüften und Heizen): Ausreichender Mindestluftwechsel kann nicht gewährleistet  werden (Empfehlung: Ohne technische Hilfe sollte der Bewohner in Gebäuden, deren Fugen nach dem  Stand der Technik abgedichtet sind, mindestens fünf Mal am Tag mehrere Minuten Querlüften)

Potenzielle Folgen von Schimmelpilzbefall in Gebäuden:
- Schädigung der Bausubstanz
- Wertminderung der Immobilie
- Gesundheitsbeeinträchtigungen (Allergien, Asthma, geschwächtes Immunsystem)

Quelle:
² Brasche: Vorkommen, Ursachen und gesundheitliche Aspekte von Feuchteschäden in Wohnungen –  Ergebnisse einer repräsentativen Wohnungsstudie in Deutschland, Bundesgesundheitsblat t 46, 2003